Glücksspiel – Illegale Online-Casinos machen weiter
Stand: 04.02.2019 17:04 Uhr
Noch immer können Spieler in Online-Casinos um Geld zocken, obwohl in Deutschland alle Angebote mittlerweile illegal sind. Nach Recherchen von NDR und “SZ” tun sich die Aufsichtsbehörden schwer, das Verbot durchzusetzen.
Von Philipp Eckstein, Christian Schepsmeier, Jan Lukas Strozyk und Benedikt Strunz, NDR
Werde zum “Glücksritter” und profitiere von der “offiziellen Glücksspiel-Lizenz” im Casino “Made in Germany” – so wirbt ein Online-Casino aktuell im deutschen Fernsehen um Spieler, die bereit sind, echtes Geld in virtuelle Spielautomaten zu werfen. Dazu bunte Bilder, der Slogan “Legal. Sicher. Fair” und das Wappen von Schleswig-Holstein. Allein: Das hier beschriebene Casino hat, ebenso wie alle anderen Online-Casinos, keine gültige deutsche Lizenz. Online-Glücksspiel ist in Deutschland illegal.
Bis vor wenigen Wochen konnten sich zahlreiche Anbieter noch auf eine Sonderregelung berufen, die das Land Schleswig-Holstein möglich gemacht hatte. Glücksspielregulierung ist Ländersache, und im Streit um den Umgang mit Internet-Angeboten hatte das Bundesland 2012 kurzfristig einen Sonderweg eingeschlagen und einige Anbieter mit befristeten Lizenzen ausgestattet.
Obwohl die nur für Schleswig-Holstein gültig waren, nutzten zahlreiche Anbieter sie als Türöffner, um ihre Marken bundesweit in Fernseh- und Zeitungswerbung zu platzieren und damit auch Spieler außerhalb von Schleswig-Holstein anzulocken.
_Kein einziges Online-Casino hat inzwischen mehr eine Lizenz für den deutschen Markt._
Behörden scheuen Rechtsstreit
Die letzten dieser Lizenzen sind jetzt ausgelaufen. Bundesweit können Spieler aber weiterhin in Online-Casinos um Geld zocken, auch bei großen Anbietern wie Bwin oder Tipico. Das zeigen Stichproben von NDR und “Süddeutscher Zeitung”. Die Casino-Anbieter sehen sich im Recht: Sie besitzen in der Regel Lizenzen aus Malta, Gibraltar oder von der Isle of Man und berufen sich darauf, in der gesamten EU ihre Spiele anbieten zu dürfen.
Auf Anfrage legen sowohl Tipico als auch Bwin dar, dass aus ihrer Sicht das Verbot in Deutschland nicht gültig ist, weil es gegen das Europarecht verstößt. Genau das allerdings hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig im Herbst 2017 geprüft und ausgeräumt. Die Casinos ließen sich davon bislang nicht beirren – wohl auch, weil die Aufsichtsbehörden kaum Verbote durchsetzen. Sie würden einen Rechtsstreit mit den Anbietern scheuen, berichten Behörden-Mitarbeiter, die mit den Vorgängen befasst sind.
Verbot wird nicht durchgesetzt
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, warnt in Anbetracht der Entwicklung vor den gesellschaftlichen Folgen. Online-Casino-Spiele seien “besonders riskant, denn dank Smartphone kann man nicht nur an festen Orten, sondern immer und überall spielen”, sagt die CSU-Politikerin NDR und “SZ”. Aus der Suchtforschung wisse man, dass eine hohe Verfügbarkeit und Anonymität besonders riskant seien.
Mortler sieht ein Versagen bei den Aufsichtsbehörden. “Ich kann im instant nicht erkennen, dass das Verbot des Onlinespiels im Netz irgendwo durchgesetzt würde”, sagt sie. “So eine Blöße darf sich ein Rechtsstaat nicht leisten, erst Recht nicht, wenn es um den Schutz von Suchtkranken und von Jugendlichen geht.”
Branche erlöst Milliarden
Der Markt für Online-Casinos wächst in Deutschland seit Jahren. Laut eines Reports der Glücksspielaufsichten der Länder über das Jahr 2017, der im vergangenen November erschien, soll es im Netz mehr als 730 Casino-Angebote geben, die um deutsche Spieler werben. Der Bruttospielertrag sei im Vergleich zu 2016 um 36 Prozent auf 1,76 Milliarden Euro gestiegen.
Welche juristischen Winkelzüge die Anbieter zum Teil nutzen, zeigt das Beispiel der Onlinecasino Deutschland AG. Die Firma mit Sitz im sächsischen Bautzen betrieb mit einer Lizenz aus Schleswig-Holstein die Seite “OnlineCasino.de”. Registriert man sich von einem anderen Bundesland aus, wird man auf die identisch aussehende Seite “OnlineCasino-eu.com” geleitet. Dort kann man dann um echtes Geld spielen, egal wo man sich befindet.
Diese Seite wiederum betreibt eine Firma mit Sitz auf Malta, zu der die Onlinecasino Deutschland AG nach eigener Aussage keine “gesellschaftsrechtliche” Verbindung aufweist. Die Frage, inwiefern die Betreiber der beiden Seiten identisch sind oder untereinander an den Geschäften des jeweils anderen verdienen, blieb unbeantwortet.
weiter im Bericht
https://www.tagesschau.de/inland/online-casinos-101.html